Andreas-Gemeindezentrum
Andreas-Gemeindezentrum weicht Familienzentrum im Gießener Osten
„Kirche zieht sich aber nicht aus dem Eichendorffring zurück, sondern bleibt als kirchlicher Ort in veränderter, moderner und zeitgemäßer Weise in der Mitte der Anneröder Siedlung präsent“, versichert Michael Volk vom Kirchenvorstand.
Entstehen soll ein Kinder- und Familienzentrum mit einem großen Mehrzweckraum, der von der Gesamtkirchengemeinde Gießen Ost auch für Gottesdienste und Veranstaltungen genutzt werden kann. „Wir haben die Vision, ein Begegnungs- und Anlaufzentrum für Anwohner und eine gut funktionierende Kita mit Familienzentrum zu schaffen“, sagt Pfarrerin Janina Franz. Kirchenvorsteher Volk, der vor 30 Jahren „der Liebe wegen“ in die Siedlung zog und seit 9 Jahren im Kirchenvorstand Verantwortung trägt, ergänzt: „Mein Wunsch ist es, mit allen Beteiligten, einen kirchlichen Ort zu schaffen, an dem Jung und Alt zusammenrücken - für Kinderbetreuung, Gottesdienst oder aber auch ganz einfach nur, wo sich Menschen treffen können und sich wohl fühlen.
Bedrohlich wirkende Setzrisse in den Mauern
Der Gebäudekomplex am Eichendorffring ist in die Jahre gekommen. Zuletzt traten bedrohlich wirkende Setzrisse in den Mauern auf, weil der lehmhaltige Boden unter der Nachkriegssiedlung aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre nachgegeben hat. Teile der Kita wurden in den Sommerferien 2023 gesperrt, bis ein Statiker Entwarnung gab. Innen wie außen wurden sogenannte Rissmarker angebracht, die weitere Veränderungen anzeigen. Die Risse wandern nicht weiter, doch dringt auf Dauer Wasser in das Gemäuer und gefährdet das Gebäude.
Gutachten wurden eingeholt. Unausweichlich wäre eine Kernsanierung mit Befestigung des Baugrunds und der Fundamente. Dazu käme die Notwendigkeit einer energetischen Sanierung, die Schaffung sicherer barrierefreier Zugänge für Kinderwägen und für alte oder Rollstuhl fahrende Menschen, die notwendige Verlegung der Toiletten aus dem Keller ins Erdgeschoß, die Erneuerung der Elektroverkabelung in einem Großteil des Gebäudekomplexes und die Erneuerung der Zu- und Abwasserleitunge
Sanierungskosten würde zu jahrzehntelanger Verschuldung führen
Das alles ist für die Gesamtkirchengemeinde Gießen Ost, zu der die frühere Andreasgemeinde seit Beginn des Jahres gemeinsam mit der Wichern- und der Luthergemeinde gehört, nicht finanzierbar. Die Mitgliederzahlen und die Finanzeinnahmen werden geringer. „Eine umfassende Sanierung hätte die Gesamtkirchengemeinde Gießen Ost auf Jahrzehnte verschuldet und sämtlichen Spielraum für Gemeindearbeit genommen“, so Kirchenvorsteher Volk.
Schon seit einigen Jahren hat der Kirchenvorstand darüber nachgedacht, was in der Zukunft wirklich gebraucht wird. „Nun schaffen wir einen Ort, an dem sich Familien im Gießener Osten gerne treffen werden und behalten zugleich einen Raum, an dem wir gemeinsam unseren Glauben leben und Gott feiern können“, so Volk.
Kirche für die Menschen in der Anneröder Siedlung
Das Vorhaben wird auch vom Evangelischen Dekanat Gießen unterstützt. Die Planungen sind ein Beispiel dafür, dass die Kirche bei allen notwendigen Abschieden auch darauf schaut, welche kirchlichen Gebäude heute vor Ort gebraucht werden, sagt Dekan André Witte-Karp. „Hier wird ein Gebäudekomplex geplant, mit dem wir für die Menschen in der Anneröder Siedlung da sein wollen und uns auf die Bedürfnisse des Stadtteils ausrichten.“ Große Resonanz fanden im Andreaszentrum schon immer der Kindergarten und zuletzt auch das Familienzentrum mit seinen vielfältigen Angeboten. „Diese Ausrichtung nehmen die Planungen auf, die wir als evangelische Kirche gemeinsam mit der Stadt verfolgen“, so Witte-Karp.
Natürlich schmerzt es nicht nur die älteren Gemeindeglieder, sondern auch viele jüngere Menschen in der Anneröder Siedlung wie auch den Kirchenvorsteher Michael Volk, das kirchliche Gebäude in der jetzigen Form aufzugeben. „Für viele Anwohner, auch für mich, sind der Kirchenraum und die Gemeindesäle eine Heimat geworden, sie sind ein Teil unserer Lebensgeschichte und das Gemeindezentrum insgesamt gehört zur Geschichte der Siedlung.“ Vielen Gemeindegliedern wird es zunächst schwerfallen, auf traditionell gestaltete Gottesdiensträume zu verzichten. Doch bereits beim Bau vor sechzig Jahren wurde Kirche reformiert und umgestaltet. Auf Kirchenbänke wurde verzichtet, stattdessen eine flexibel einsetzbare Bestuhlung vorgenommen, um zeitgemäße Gottesdienste, etwa für junge Familien, feiern zu können. Auch die Kirche heute müsse für die Zukunft beides planen, sakrale wie soziale Räume.
Vielleicht bleibt der Glockenturm als Erinnerung stehen
Noch gibt es keine konkreten Baupläne. Hauptsächlich sind es viele Ideen die zu Papier gebracht wurden, etwa die Integration von Wohnungen in das geplante Zentrum. Ende Juni setzen sich alle Beteiligten aus der Verwaltung der Gesamtkirche, die als Investor das Projekt vorfinanziert, aus der Kita, dem Kirchenvorstand und dem Dekanat zusammen, um die Ideen zu bündeln. Im Herbst soll der Neubau planungsreif sein. Wann genau mit dem Neubau begonnen werden kann, steht noch nicht endgültig fest, er soll aber in enger Absprache mit der Stadt Gießen umgesetzt werden. Vielleicht könnte sogar der Glockenturm, allerdings ohne die Glocken, auf dem Grundstück als sichtbare Erinnerung stehen bleiben, erzählt Pfarrerin Franz. „Auf alle Fälle haben wir die Chance Neues zu entwickeln und den neuen Raum für eine künftige Generation mit Leben zu füllen.“